Normal
2018
Mit rund 800'000 betroffenen Personen, haben Angst- und Panikstörungen in der Schweiz eine ernstzunehmende Dimension angenommen. Etwa jede zehnte Person hat es mit einer Form dieser Erkrankung zu tun und fast jede fünfte Person leidet mindestens einmal im Leben unter sehr starken, meist anhaltenden, Ängsten. Wer von einer Panikattacke überrollt wird, empfindet hoch konzentrierte pure Angst.
Als typische Symptome werden unter anderen Herzrasen, Atemnot, Hyperventilation, Kribbelgefühle, Schwindel, Kopfdruck, Angstgedanken («Das ist ein Herzinfarkt», «Ich werde gleich sterben», «Ich verliere den Verstand»), Depersonalisationsgefühle, Derealisationserleben genannt.
Im Bestreben dieses bodenlose Entsetzen nie mehr zu erleben, beginnen die Betroffenen, vermeintlich angstauslösende Situationen oder Objekte sicherheitshalber zu vermeiden. Jede «erfolgreiche» Sicherheitsmassnahme verstärkt das – kontraproduktive – Vermeidungsverhalten und führt laufend zu weiteren Einschränkungen. Folglich bewegen sich Angstpatienten im Alltag irgendwann nur noch in ganz engen Bahnen.
Mit der vorliegenden fotografischen Arbeit nehme ich Bezug auf die Thematik des gleichnamigen Schweizer Dokumentarfilms. Ich möchte mich damit gerne am Dialog beteiligen und versuche durch eine abstrahiert-dokumentarische Bildsprache einen neuen Zugang zu schaffen. Die sehr schlicht gehaltenen Bilder mit den unscheinbar und vielleicht etwas hilflos wirkenden Objekten, erschliessen sich nicht auf den ersten Blick. Analog zur Realität wird die Wucht der Vermeidungsspirale erst durch eine eingehendere Auseinandersetzung sichtbar:
Die bedrohliche Ungewissheit, vielleicht den Verstand zu verlieren, wird dadurch vermieden, sich immer wieder den Buchtitel «Kognitive Neurobiologie» ins Gedächtnis zu rufen. Solange man sich an diesen eher komplizierten Begriff, und viele weitere «Kontrollbegriffe», erinnern kann, besteht kein Grund zur Sorge. Solchen vermeintlich beruhigenden «Selbsttests» ist kein Ende gesetzt. Zur Beruhigung testet man beispielsweise auch laufend die Motorik der Hände.
Es wird ausserdem alles vermieden, was möglicherweise zum Panikauslöser werden könnte. Selbst eine kleine Mandel von Schokolade umhüllt wird innerlich zur grossen Gefahr erklärt, also gemieden. Zu wenig Flüssigkeit könnte gefährlich sein, die Wasserzufuhr wird dadurch zu einer ständigen Beschäftigung. Sport wird zum Zwang, denn mangelnde Bewegung könnte «sehr gefährlich» sein. Notfallmedikamente und Notfallzettel sind immer in Griffnähe, um jederzeit gegen die ständig lauernde «Gefahr» gewappnet zu sein.